Migräne

Migräne ist eine komplexe neurologische Erkrankung mit vorübergehender Funktionsstörung des Gehirns. Als Hauptsymptom kommt es zu wiederkehrenden Kopfschmerz-Attacken mit begleitenden neurologischen und vegetativen Störungen.

„Die Schmerzen zogen vom Auge bis zur Schläfe und vom Hals bis zur Schulter. Dabei bin ich extrem licht- und geräuschempfindlich und kann keine Berührungen ertragen.“ Maria, 43 Jahre

Ist Migräne häufig?

In den Industrieländern leiden etwa 15 bis 20 Prozent der Bevölkerung an Migräne. Frauen sind häufiger betroffen als Männer und erleiden häufig längere und intensivere Kopfschmerzattacken. In Deutschland sind etwa vier Millionen Frauen und zwei Millionen Männer von Migränekopfschmerzen betroffen. Am häufigsten tritt Migräne zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr auf, wobei häufig auch schon Kinder von der Erkrankung betroffen sind (4–5%).

Wie wird Migräne verursacht?

Die genauen Abläufe und komplizierten Prozesse während dem Auftreten von Migräneattacken sind bislang unvollständig erforscht. Allgemein akzeptiert ist, dass das Gehirn und Nervensystem der betroffenen Patienten durch Erbfaktoren besonders empfindlich auf äussere und innere Faktoren reagiert. Dieser genetische Hintergrund erklärt auch, dass Migräne nicht heilbar ist. Während der Migräneattacke kommt es zu einer reduzierten Durchblutung und Verminderung des Stoffwechsels im Hirn sowie einer vom Körper getriggerten schmerzhaften Entzündungsreaktion. Kontrolliert werden diese Prozesse von bestimmten Regionen im Hirnstamm und Mittelhirn. Diese Zusammenhänge können erklären, weshalb Schmerzmittel mit entzündungshemmenden Eigenschaften und die sogenannten Triptane, welche in den Stoffwechsel der Neurotransmitter eingreifen, Migränekopfschmerzen beeinflussen können.

Innere und äussere Triggerfaktoren

Migräneattacken können durch sogenannte Triggerfaktoren ausgelöst werden. Dabei handelt es sich um körpereigene, biologische Faktoren oder Einflüsse aus der Umwelt, welche Migräneattacken auslösen können. Die meisten Migränepatienten kennen die Auslöser ihrer Migräneattacken. Dazu zählen:
– hormonelle Schwankungen während des weiblichen Monatszyklus (Eisprung, Menstruation),
– Änderungen des Wach-Schlafrhythmus,
– Stress und Entlastung nach Stress sowie emotionale Belastungen,
– Alkohol, Nikotin oder bestimmte Nahrungsmittel (z.B. Schokolade oder bestimmte Käsesorten),
– Schwankungen des Coffein-Spiegels.

Diagnose

Die Diagnose einer Migräne resultiert in erster Linie aus dem persönlichen Gespräch zwischen Patient und Arzt (Anamnese) sowie der klinisch neurologischen Untersuchung. Es gibt keine Labortests oder apparativen Untersuchungen, welche die Diagnose einer Migräne stellen bzw. dem Arzt diese Aufgabe abnehmen können. Der Arzt erhält beim Anamnesegespräch wichtige Informationen über die Symptome, Schwere und das Ausmass der Attacken, den Medikamentenkonsum sowie begleitende Umstände, welche wesentlichen Einfluss auf die anschliessenden Therapien haben. Zusätzliche apparative Diagnoseverfahren wie Computertomographie, Magnetresonanztomographie, Elektroenzephalographie (EEG) oder Ultraschalluntersuchungen sowie Labor sind dann erforderlich, wenn andere Kopfschmerzursachen vom Arzt ausgeschlossen werden müssen.

Kopfschmerztagebuch

Das Führen eines Kopfschmerztagebuches stellt für die Diagnostik und Anpassung der Therapien ein wesentliches Hilfsmittel dar. Die Dokumentation der Attacken Frequenz, der die Kopfschmerzen begleitenden Symptome, der möglichen Assoziation der Kopfschmerzen mit dem weiblichen Monatszyklus, dem Einfluss von freien Tagen auf die Kopfschmerzen, dem zeitlichen Auftreten der Kopfschmerzattacken im Tagesverlauf, etc. enthält wichtige Informationen, welche massgeblichen Einfluss auf die Planung und Anpassung der weiteren Therapien haben. Es können eingesetzte Medikationen und Therapien festgehalten werden und ebenso über persönliche Triggerfaktoren Rückschlüsse gewonnen werden. Ein Kopfschmerztagebuch ist somit ein wichtiges Kontrollelement, ob eine Behandlung oder Prophylaxe wirksam ist oder angepasst werden muss.

Therapie

Eine kausale Therapie, wie zum Beispiel die antibiotische Behandlung einer Lungenentzündung, existiert bei der Migräne nicht. Dennoch können die Kopfschmerzen zumeist erfolgreich behandelt werden. Hierzu werden Kombinationen aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Strategien eingesetzt. Nahezu alle Patienten benötigen eine akute medikamentöse Attacken Behandlung, eine sogenannte Akuttherapie. Je nach Frequenz und Schwere der Migräneattacken kann darüber hinaus eine prophylaktische Therapie (Basistherapie) sinnvoll sein.

Akuttherapie

Neben der medikamentösen Therapie profitieren Migränepatienten während ihrer Attacken von Allgemeinmassnahmen: Der Rückzug in einen abgedunkelten, ruhigen Raum mit viel Frischluft wird als sehr angenehm empfunden. Häufig hilft Schlaf. Auch die Kühlung des Kopfes mittels Kühlkompressen wirkt beruhigend.

Medikamente

Bei leichten Migräneattacken können herkömmliche Schmerzmittel helfen. Bevorzugt werden dann Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol oder Kombinationspräparate. Auch anderweitige, herkömmliche Schmerzmittel können gute Dienste leisten. Mittelschwere und schwere Migräneattacken müssen mit spezifischen Migränemitteln behandelt werden, den sogenannten Triptanen: Eletirptan, Frovatriptan, Rizatriptan, Sumatriptan, Zolmitriptan. Triptane haben gefässverengende, entzündungshemmende und schmerzlindernde Eigenschaften. Die Wirkung beruht auf einem Agonismus zu den Serotonin-Rezeptoren, wodurch es zu einer Gefässverengung, einer Reduktion der Ausschüttung von entzündungsfördernden Neuropeptiden und einer Hemmung der Schmerzfortleitung kommt. Sie werden in unterschiedlichen Dosierungen und Darreichungsformen angeboten: Normale Tabletten zum Schlucken, selbst auflösende Schmelztabletten, Zäpfchen, Nasensprays und Pens zur Injektion unter die Haut. Als Nebenwirkung kann es zu Engegefühlen über der Brust, Müdigkeit, Übelkeit, Innerer Unruhe oder einem Gefühl des „Neben sich Stehens“ kommen. Je nach Symptomatik, zeitlichem Auftreten und möglichen Begleitfaktoren wählt der Arzt dann das am besten geeignete Triptan in entsprechender Darreichungsform aus. Kontraindiziert sind Triptane bei Patienten mit unkontolliertem Bluthochdruck, koronarer Herzerkrankung, Angina pectoris, Zustand nach Herzinfarkt, arterieller Verschlusskrankheit (PAVK), Zustand nach Schlaganfall bzw. bei gesteigertem Risiko für einen Schlaganfall.

Übelkeit

Eine häufige Begleitsymptomatik von Migräneattacken sind Übelkeit oder Erbrechen. Diese werden durch Bewegungsstörungen von Darm und Magen hervorgerufen. Durch die Einnahme von Medikamenten zur Vorbeugung und Behandlung von Übelkeit und Erbrechen (Antiemetika), kommt es nicht nur zu einer Besserung der belastenden Krankheitssymptome, sondern auch zu einer Anregung der Magen-Darm-Motilität und damit besseren Wirkung von Schmerzmitteln und Triptanen. Metoclopramid und Domperidon werden hierzu in erster Linie eingesetzt.

Nicht-medikamentöse Behandlungsformen

Als eine der wenigen etablierten, nicht-medikamentösen Massnahmen zur Behandlung einer akuten Migräneattacke kann Cefaly zur Anwendung kommen. Cefaly führt über eine Neurostimulation zu einer Beruhigung des Nervensystems und damit zur Schmerzlinderung.

Vorbeugung

Vorbeugung ist das wichtigste Therapieprinzip zur Vermeidung von Migräneattacken. Die besten Migräneattacken sind jene, welche erst gar nicht auftreten. Dazu sollen Sie herausfinden, wann und warum Sie Attacken bekommen: Bestehen Erschöpfung oder Überanstrengung? Treten die Kopfschmerzen nach dem Ausschlafen am Wochenende oder kurz vor dem Urlaub auf? Treten die Attacken bei positiver Vorfreude auf? Durch das Führen eines Kopfschmerztagebuches können solche Zusammenhänge am Einfachsten aufgedeckt und durch entsprechende Vermeidungsstrategien verhindert werden: Sorgen Sie für einen möglichst ausgewogenen Tages- und Wochenablauf. Legen Sie bei der Arbeit kurze Pausen ein und nehmen Sie bei gesteigertem Stress gegebenenfalls Power Naps vor. Lernen Sie „nein“ zu sagen. Fahren Sie nicht nach einem stressigen Arbeitstag direkt in die Ferien. Tragen Sie Sorge, dass Sie regelmässig Nahrung zu sich nehmen um eine Unterzuckerung zu vermeiden.

Ausdauersport

Vor allem regelmässig ausgeübter aerober Ausdauersport führt zu einer Reduktion der Migränefrequenz und -intensität. Durch regelmässiges Training kommt es zu einer gesteigerten Hirndurchblutung, Anreicherung des Körpers mit Sauerstoff und Aktivierung körpereigener Schmerzabwehrstoffe. Darüber hinaus führt Sport zu Stressabbau und Entspannung, wichtigen Triggerfaktoren von Migräneattacken.

Entspannung

Eignen sie sich Entspannungstechniken wie Yoga, Muskelentspannung, autogenes Training, kontrolliertes Atmen, Hypnosetechniken sowie Power Naps an. Lassen sie sich von einer Fachperson anleiten, damit sie diese Technik im Ernstfall jederzeit und überall korrekt ausführen können.

Basistherapie

Treten pro Monat drei oder mehr Migräneattacken auf, welche die Lebensqualität beeinträchtigen oder können einzelne Attacken durch Akutmedikationen nur unzureichend kontrolliert werden, ist eine medikamentöse Basistherapie indiziert. Basistherapien haben das Ziel, die Migräneattacken in ihrer Frequenz, Dauer und Schwere einzudämmen. Dabei kommen keine Schmerz- oder Migränemittel, sondern andere Medikamente zur Anwendung: Zu diesen zählen Herzkreislaufmedikamente wie Betablocker (Metaprolol, Propranolol) oder Kalzium-Antagonisten (Flunarizin), Antiepileptika (Topiramat, Lamotrigin, Valproinsäure) sowie Antidepressiva (Amitriptylin, Venlafaxin, Duloxetin). Neu sind auch die ersten Migräne spezifischen CGRP-Antikörper verfügbar (Erenumab, Galcanezumab, Fremanezumab), welche alle vier (bzw. 12) Wochen subkutan injiziert werden müssen. Und zur Behandlung einer chronsichen Migräne kann zusätzlich perikraniell appliziertes Botulinum Toxin (Botox®) zum Einsatz kommen.

Migräne und Hormone

Das Auf und Ab der Geschlechtshormone während des weiblichen Zyklus stellt einen wesentlichen Triggerfaktor der hormonsensitiven Migräne dar. Aus diesem Grund sind Jungen und Mädchen bis zur Pubertät noch etwa gleich häufig von der Migräne betroffen. Erst in weiterer Folge verändert sich das Muster zu Ungunsten der Frauen (♀:♂ = 3:1) um sich nach den Wechseljahren wieder etwas anzugleichen (♀:♂ = 2:1). Verantwortlich für die hormonell bedingten Migräneattacken ist in erster Linie der Östrogenabfall während des Eisprungs und zur Menstruation. Vor allem bei der Regelblutung kann es deshalb zu langanhaltenden und schweren Migräneattacken kommen. Aufgrund dieser Assoziation sind Triptane in dieser Indikation die erste Wahl und sollten angepasst an die Dauer und Schwere der Attacken individuell zur Anwendung kommen.

Migräne und die Pille

Auch die hormonelle Kontrazeption kann durch ihren Einfluss auf die Sexualhormone massgeblichen Einfluss auf die Migräne haben. Sowohl Ein- als auch Zweiphasenpräparate können die Kopfschmerzen nachhaltig beeinflussen, wobei kontinuierlich eingenommene Einphasenpräparate zumeist eine Besserung der Beschwerden mit sich bringen können.

Migräne und Schwangerschaft

Während einer Schwangerschaft kommt es bei 50 bis 80 Prozent der Schwangeren nach dem ersten Trimenon zu einer Besserung der Beschwerden oder sie verschwinden sogar ganz. Bei acht Prozent der Frauen kommt es zu einer Verschlechterung der Kopfschmerzen während der Schwangerschaft.

Zur Behandlung der Migräne während der Schwangerschaft sollten primär nicht-medikamentöse Therapien zum Einsatz kommen: Akupunktur, Entspannungstechniken und Lymphdrainage. Zur Akuttherapie kann in den ersten beiden Trimenonen Acetylsalicylsäure oder Ibuprofen verwendet werden. Paracetamol sollte nur Verwendung finden, wenn es Kontraindikationen für Acetylsalicylsäure gibt. Triptane sind in der Schwangerschaft nicht zugelassen, wobei es grosse Schwangerschaftsregister gibt, bei welchen sich keine Hinweise für erhöhte Komplikationsraten oder Fehlbildungen des Fetus unter Triptanen zeigen. Für Sumatriptan sind diese Erfahrungen am grössten. Sumatriptan sollte deshalb nur angewandt werden, wenn der zu erwartende Nutzen für die Mutter einem möglichen Risiko für das Kind überwiegt.

Hochdosiertes Magnesium sowie Riboflavin (Vitamin B2) dürfen zur Basistherapie eingesetzt werden.

Kontakt

Dr. med. univ. Wolfgang Dent
Facharzt für Neurologie
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